Ab wann gelten Hunde als erwachsen?

über geistige Reife – Teil 1

Am häufigsten werden Hunde, die älter sind als ein Jahr, als erwachsen bezeichnet. Sie werden sogar bereits als Erwachsene gesehen und behandelt, obwohl wir nicht genau wissen, wann die Reifungsprozesse im Gehirn bei Hunden abgeschlossen sind, also wann genau wir sie tatsächlich als geistig erwachsen betrachten können.

Beim Erwachsenwerden denkt man zunächst nicht sofort an den Reifungsprozess des Nervensystems, sondern eher an die Erreichung des Endgewichts oder an die Veränderung anderer körperlicher Eigenschaften.

Aufgrund der hohen morphologischen Variabilität (z. B. sich stark unterscheidender Körpergröße, Muskel- und Schädeldicke) gibt es jedoch nur wenige und eher ungenauere Daten, welche die Unterschiede der Entwicklungsgeschwindigkeiten jeweiligen Rassen klar darstellen:

Hunde mit größerer Muskel- und/oder Schädeldicke entwickeln sich langsamer und erreichen aufgrund hormoneller und sexueller Veränderungen später die Geschlechtsreife.

Vergleicht man beispielsweise Beagles und Deutsche Doggen, steigen die Wachstumshormon-Werte (GH) bei beiden Rassen bis zum Alter von ca. 7 Wochen, bei den Deutschen Doggen wurde aber eine weitergehende, hohe GH-Freisetzung bis zum Alter von ca. 24 Wochen beobachtet.
Bei Foxterriern (durchschnittliche Endgewicht: 8 kg) befinden sich bereits vom Alter von ca. 8–9 Monaten Spermien im Ejakulat, während bei Border Collies (durchschnittliche Endgewicht: 23 kg) die ersten Spermien erst dann produziert werden, wenn die Tiere etwa 11–12 Monate alt sind.

❓Aber können ähnliche Unterschiede auch hinsichtlich der Nervensysteme der Hunde beobachtet werden?
❓Braucht das Nervensystem bei allen Rassen dieselbe Dauer, um sich vollständig zu entwickeln?
❓Ist dieses Ein-Jahr-Alter wirklich DAS Alter, ab dem wir sie als Erwachsene betrachten können?

Forscher der Abteilung für Ethologie der ELTE Universität (Budapest) unternahmen den Versuch, diese Fragen zu beantworten, indem sie eine umfangreiche Schlafanalyse bei den Hunden durchführten.

Die Schlafanalyse ist eine etablierte Methode, um Gehirnreifungsprozesse zu verfolgen:

Wenn sich jeder Schlafparameter stabilisiert, zeigt dies an, dass das Nervensystem eines Hundes voll entwickelt ist.

In den frühen Lebensstadien verbringen Säugetiere einen erheblichen Teil ihres Schlafes in der „träumerischen“ Schlafphase, die als REM-Schlaf bezeichnet wird. Die REM-Phase spielt eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des Nervensystems und bei der Verarbeitung der tagsüber erlebten Erfahrungen. Deshalb spielt mitunter eine Schlüsselrolle beim Lernen.

In der späteren Entwicklungsphase gewinnt die sogenannte Slow-Wave-Aktivität, die mit dem Tiefschlaf in Verbindung gebracht werden kann, gleichermaβen an Bedeutung.

Bei den Menschen spiegelt die Reduzierung der Slow-Wave-Aktivität während der Pubertät den Reifungsprozess im Nervensystem wider, wenn also Verbindungen zwischen weniger genutzten Neuronen verkümmern, sodass sich das Gehirn unnötiger Verbindungen/Informationen entledigt und dadurch effizienter arbeiten kann. In diesem Fall „selektiert“ das Gehirn Informationen und Verbindungen, die für das weitere Leben nicht relevant sind. Die Forscher stellten hierzu die Hypothese auf, ähnliche Muster bei Hunden finden zu können.

Während der Experimentreihe machten die Hunde – und sogar die Besitzer – gerne ein Nickerchen im Schlaflabor. Auf die Kopfhaut der Hunde wurden Elektroden angebracht. Dies ist ein völlig schmerzloses Verfahren, das auch bei Kleinkindern angewendet wird. So konnten die Schlafparameter von 91 Hunden im Alter von 2–30 Monaten untersucht werden.

Quelle:

Reicher, V., Bunford, N., Kis, A. et al. 2021. Developmental features of sleep electrophysiology in family dogs. In: Sci Rep 11, 22760.

https://doi.org/10.1038/s41598-021-02117-1

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2024-10-21T12:54:48+02:00
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