Ab wann gelten Hunde als erwachsen?
über geistige Reife – Teil II
Forscher führten umfangreiche Schlafanalysen durch um rauszufinden wann die Reifungsprozesse im Gehirn bei Hunden abgeschlossen sind und der Hund als „reif” oder erwachsen betrachtet werden kann.
Junge Welpen (Hunde im Alter von 2–3 Monaten) verbringen einen erheblichen Teil ihres Schlafes im sogenannten Traum- oder REM-Schlaf. Sie treffen in diesem Alter immer wieder auf Neues und lernen in diesem Zeitraum am intensivsten, wie ihre Umgebung funktioniert. Dieses intensive Lernen zeigt sich nachweislich auch auf neuronaler Ebene zu zeigen, da die REM-Phase mitverantwortlich für das Lernen und Verarbeiten von Informationen ist. Mit dem Heranwachsen reduziert sich die im REM-Schlaf verbrachte Zeitdauer bis zum Alter von ca. 6 Monaten, danach ändert sich die nicht mehr.
Die im Tiefschlaf verbrachte Schlafdauer zeigte bei Hunden jedoch ein anderes Muster als bei Menschen: diese änderte sich bei Hunden mit dem Heranwachsen nämlich nicht – entgegen der Vermutung der Forscher, die gemäβ den Ergebnissen früherer Schlafstudien an Säugetieren annahmen, dass ältere Hunde weniger Zeit im Tiefschlaf verbringen würden.
Einer anderen Vermutung entsprechend, nimmt jedoch die sogenannte Slow-Wave-Aktivität mit dem Heranwachsen (zwischen dem 8. und 14. Lebensmonat) auch bei den Hunden ab. Bei Menschen passiert das im Laufe der Pubertät, bei den Hunden etwa in dem 8. Lebensmonat.
Die Ergebnisse zeigten, dass es sowohl Schlafparameter gibt, die sich in der Adoleszenz stabilisieren, als auch solche, die sich weiterhin, selbst nach dem Erreichen des 1-Jahres-Marke, noch verändern.
Konkret bedeutet dies, dass die Reifungsprozesse im Gehirn des Hundes mit einem Jahr in den meisten Fällen noch nicht vollständig abgeschlossen sind und das zentrale Nervensystem des Hundes folglich noch nicht komplett entwickelt ist.
Bei uns Menschen sieht es sehr ähnlich aus: die Entwicklung des Nervensystems dauert weit ins „junge Erwachsenenalter“ hinein, wobei sich die „weiße Substanz” sogar bis in die späten 20er Jahre entwickelt. Die mit dem 18. Lebensjahr offiziell erreichte Volljährigkeit ist somit nicht mit der Vollendung des Nervensystems gleichzusetzen.
Die Forscher fanden bezüglich der Nervensystementwicklung den sogennaten Körpergrößen-Effekt: Bei großen Hunden wurde weniger Slow-Wave-Aktivität beobachtet, als bei den kleineren Hunderassen. Das weist darauf hin, dass es auch von dem voraussichtlichen Endgewicht beeinflusst wird, wann ein Hund als geistig ausgewachsen gilt.
Ein Yorkshire Terrier und eine Deutsche Dogge erreichen ganz wahrscheinlich die einzelnen Entwicklungs-Phasen nicht gleichzeitig, die größeren und daher langsamer heranreifenden Hunde werden die kleineren Artgenossen aber im Laufe der Zeit, meist während der Pubertät „einholen“.
Um ein vollständiges Bild davon erhalten zu können, wie sich die Schlafphasen und die Schlafdauer mit dem Alter verändern, bzw. welche Faktoren die Entwicklungsgeschwindigkeit beeinflussen, sind noch weitere Forschungen erforderlich.
Die Daten aus der bisherigen Forschungsreihen mögen jedoch troztdem für viele erleichternd sein: Denn selbst wenn euer Hund bereits über das turbulente erste Jahr hinaus keine Anzeichen des „Erwachsenwerdens“ zeigt, bedeutet das nicht, dass keine Reifung mehr stattfinden kann. Es besteht somit weiterhin Hoffnung – auch für die besonders albernen Exemplare!
Quelle:
Reicher, V., Bunford, N., Kis, A. et al. 2021. Developmental features of sleep electrophysiology in family dogs. In: Sci Rep 11, 22760.